Сиддхартха (На немецком языке)
"Es mag wohl so sein", sagte Siddhartha mXde. "Ich bin wie du. Auch du liebst nicht X wie kXnntest du sonst 'die Liebe als eine Kunst betreiben? Die Menschen von unserer Art kXnnen vielleicht nicht lieben. Die Kindermenschen kXnnen es; das ist ihr Geheimnis."
SANSARA
Lange Zeit hatte Siddhartha das Leben der Welt und der LXste gelebt, ohne ihm doch anzugehXren. Seine Sinne, die er in heiXen Samana-Jahren ertXtet hatte, waren wieder erwacht, er hatte Reichtum gekostet, hatte Wollust gekostet, hatte Macht gekostet; dennoch war er lange Zeit im Herzen noch ein Samana geblieben, dies hatte Kamala, die Kluge, richtig erkannt. Immer noch war es die Kunst des Denkens, des Wartens, des Fastens, von welcher sein Leben gelenkt wurde, immer noch waren die Menschen der Welt, die Kindermenschen, ihm fremd geblieben, wie er ihnen fremd war.
Die Jahre liefen dahin, in Wohlergehen eingehXllt fXhlte Siddhartha ihr Schwinden kaum. Er war reich geworden, er besaX lXngst ein eigenes Haus und eigene Dienerschaft, und einen Garten vor der Stadt am Flusse. Die Menschen hatten ihn gerne, sie kamen zu ihm, wenn sie Geld oder Rat brauchten, niemand aber stand ihm nahe, auXer Kamala.
Jenes hohe, helle Wachsein, welches er einst, auf der HXhe seiner Jugend, erlebt hatte, in den Tagen nach Gotamas Predigt, nach der Trennung von Govinda, jene gespannte Erwartung, jenes stolze Alleinstehen ohne Lehren und ohne Lehrer, jene geschmeidige Bereitschaft, die gXttliche Stimme im eigenen Herzen zu hXren, war allmXhlich Erinnerung geworden, war vergXnglich gewesen; fern und leise rauschte die heilige Quelle, die einst nahe gewesen war, die einst in ihm selber gerauscht hatte. Vieles zwar, das er von den Samanas gelernt, das er von Gotama gelernt, das er von seinem Vater, dem Brahmanen, gelernt hatte, war noch lange Zeit in ihm geblieben: mXiges Leben, Freude am Denken, Stunden der Versenkung, heimliches Wissen vom Selbst, vom ewigen Ich, das nicht KXrper noch Bewusstsein ist. Manches davon war in ihm geblieben, eines ums andre aber war untergesunken und hatte sich mit Staub bedeckt. Wie die Scheibe des TXpfers, einmal angetrieben, sich noch lange dreht und nur langsam ermXdet und ausschwingt, so hatte in Siddharthas Seele das Rad der Askese, das Rad des Denkens, das Rad der Unterscheidung lange weiter geschwungen, schwang immer noch, aber es schwang langsam und zXgernd und war dem Stillstand nahe. Langsam, wie Feuchtigkeit in den absterbenden Baumstrunk dringt, ihn langsam fXllt und faulen macht, war Welt und TrXgheit in Siddharthas Seele gedrungen, langsam fXllte sie seine Seele, machte sie schwer, machte sie mXde, schlXferte sie ein. DafXr waren seine Sinne lebendig geworden, viel hatten sie gelernt, viel erfahren.
Siddhartha hatte gelernt, Handel zu treiben, Macht Xber Menschen auszuXben, sich mit dem Weibe zu vergnXgen, er hatte gelernt, schXne Kleider zu tragen, Dienern zu befehlen, sich in wohlriechenden Wassern zu baden. Er hatte gelernt, zart und sorgfXltig bereitete Speisen zu essen, auch den Fisch, auch Fleisch und Vogel, GewXrze und SXigkeiten, und den Wein zu trinken, der trXge und vergessen macht. Er hatte gelernt, mit WXrfeln und auf dem Schachbrette zu spielen, TXnzerinnen zuzusehen, sich in der SXnfte tragen zu lassen, auf einem weichen Bett zu schlafen. Aber immer noch hatte er sich von den andern verschieden und ihnen Xberlegen gefXhlt, immer hatte er ihnen mit ein wenig Spott zugesehen, mit ein wenig spXttischer Verachtung, mit eben jener Verachtung, wie sie ein Samana stets fXr Weltleute fXhlt. Wenn Kamaswami krXnklich war, wenn er Xrgerlich war, wenn er sich beleidigt fXhlte, wenn er von seinen Kaufmannssorgen geplagt wurde, immer hatte Siddhartha es mit Spott angesehen. Langsam und unmerklich nur, mit den dahingehenden Erntezeiten und Regenzeiten, war sein Spott mXder geworden, war seine Xberlegenheit stiller geworden. Langsam nur, zwischen seinen wachsenden ReichtXmern, hatte Siddhartha selbst etwas von der Art der Kindermenschen angenommen, etwas von ihrer Kindlichkeit und von ihrer Xngstlichkeit. Und doch beneidete er sie, beneidete sie desto mehr, je Xhnlicher er ihnen wurde. Er beneidete sie um das Eine, was ihm fehlte und was sie hatten, um die Wichtigkeit, welche sie ihrem Leben beizulegen vermochten, um die Leidenschaftlichkeit ihrer Freuden und Xngste, um das bange, aber sXe GlXck ihrer ewigen Verliebtheit. In sich selbst, in Frauen, in ihre Kinder, in Ehre oder Geld, in PlXne oder Hoffnungen verliebt waren diese Menschen immerzu. Er aber lernte dies nicht von ihnen, gerade dies nicht, diese Kinderfreude und Kindertorheit; er lernte von ihnen gerade das Unangenehme, was er selbst verachtete. Es geschah immer Xfter, dass er am Morgen nach einem geselligen Abend lange liegen blieb und sich dumpf und mXde fXhlte. Es geschah, dass er Xrgerlich und ungeduldig wurde, wenn Kamaswami ihn mit seinen Sorgen lang weilte. Es geschah, dass er allzu laut lachte, wenn er im WXrfelspiel verlor. Sein Gesicht war noch immer klXger und geistiger als andre, aber es lachte selten, und nahm einen um den andern jene ZXge an, die man im Gesicht reicher Leute so hXufig findet, jene ZXge der Unzufriedenheit, der KrXnklichkeit, des Missmutes, der TrXgheit, der Lieblosigkeit. Langsam ergriff ihn die Seelenkrankheit der Reichen.
Wie ein Schleier, wie ein dXnner Nebel senkte sich MXdigkeit Xber Siddhartha, langsam, jeden Tag ein wenig dichter, jeden Monat ein wenig trXber, jedes Jahr ein wenig schwerer. Wie ein neues Kleid mit der Zeit alt wird, mit der Zeit seine schXne Farbe verliert, Flecken bekommt, Falten bekommt, an den SXumen abgestoXen wird und hier und dort blXde, fXdige Stellen zu zeigen beginnt, so war Siddharthas neues Leben, das er nach seiner Trennung von Govinda begonnen hatte, alt geworden, so verlor es mit den hinrinnenden Jahren Farbe und Glanz, so sammelten sich Falten und Flecken auf ihm, und im Grunde verborgen, hier und dort schon hXlich hervorblickend, wartete EnttXuschung und Ekel. Siddhartha merkte es nicht. Er merkte nur, das jene helle und sichere Stimme seines Innern, die einst in ihm erwacht war und ihn in seinen glXnzenden Zeiten je und je geleitet hatte, schweigsam geworden war.
Die Welt hatte ihn eingefangen, die Lust, die Begehrlichkeit, die TrXgheit, und zuletzt auch noch jenes Laster, das er als das tXrichteste stets am meisten verachtet und gehXhnt hatte: die Habgier. Auch das Eigentum, der Besitz und Reichtum hatte ihn schlieXlich eingefangen, war ihm kein Spiel und Tand mehr, war Kette und Last geworden. Auf einem seltsamen und listigen Wege war Siddhartha in diese letzte und schnXdeste AbhXngigkeit geraten, durch das WXrfelspiel. Seit der Zeit nXmlich, da er im Herzen aufgehXrt hatte, ein Samana zu sein, begann Siddhartha das Spiel um Geld und Kostbarkeiten, das er sonst lXchelnd und lXssig als eine Sitte der Kindermenschen mitgemacht hatte, mit einer zunehmenden Wut und Leidenschaft zu treiben. Er war ein gefXrchteter Spieler, wenige wagten es mit ihm, so hoch und frech waren seine EinsXtze. Er trieb das Spiel aus der Not seines Herzens, das Verspielen und Verschleudern des elenden Geldes schuf ihm eine zornige Freude, auf keine andre Weise konnte er seine Verachtung des Reichtums, des GXtzen der Kaufleute, deutlicher und hXhnischer zeigen. So spielte er hoch und schonungslos, sich selbst hassend, sich selbst verhXhnend, strich Tausende ein, warf Tausende weg, verspielte Geld, verspielte Schmuck, verspielte ein Landhaus, gewann wieder, verspielte wieder. Jene Angst, jene furchtbare und beklemmende Angst, welche er wXhrend des WXrfelns, wXhrend des Bangens um hohe EinsXtze empfand, jene Angst liebte er und suchte sie immer zu erneuern, immer zu steigern, immer hXher zu kitzeln, denn in diesem GefXhl allein noch fXhlte er etwas wie GlXck, etwas wie Rausch, etwas wie erhXhtes Leben inmitten seines gesXttigten, lauen, faden Lebens. Und nach jedem groXen Verluste sann er auf neuen Reichtum, ging eifriger dem Handel nach, zwang strenger seine Schuldner zum Zahlen, denn er wollte weiter spielen, er wollte weiter vergeuden, weiter dem Reichtum seine Verachtung zeigen. Siddhartha verlor die Gelassenheit bei Verlusten, er verlor die Geduld gegen sXumige Zahler, verlor die GutmXtigkeit gegen Bettler, verlor die Lust am Verschenken und Wegleihen des Geldes an Bittende. Er, der zehntausend auf einen Wurf verspielte und dazu lachte, wurde im Handel strenger und kleinlicher, trXumte nachts zuweilen von Geld! Und so oft er aus dieser hXlichen Bezauberung erwachte, so oft er sein Gesicht im Spiegel an der Schlafzimmerwand gealtert und hXlicher geworden sah, so oft Scham und Ekel ihn Xberfiel, floh er weiter, floh in neues GlXcksspiel, floh in BetXubungen der Wollust, des Weines, und von da zurXck in den Trieb des HXufens und Erwerbens. In diesem sinnlosen Kreislauf lief er sich mXde, lief er sich alt, lief sich krank.