Admiral Bolithos Erbe: Ein Handstreich in der Biskaya
Nun war er doch froh, da? er Pascoe von seinem Vater erzahlt hatte. Andernfalls.
Als konne er Gedanken lesen, sagte sein Neffe:»Als Vater wahrend der amerikanischen Revolution gegen uns kampfte, hat er doch auch dieses Schiff hier angegriffen. Ich habe lange daruber nachgedacht und nachzuempfinden versucht, was das fur euch beide bedeutet hat.«Angstlich starrte er Bolitho an, dann sprudelte er hervor:»Egal, ich wollte unbedingt an Bord, Onkel. Notfalls auch als rangniedrigster Offizier.»
Bolitho ergriff seinen Arm.»Das freut mich — fur dich und fur das Schiff.»
Ein Midshipman kam nach vorn gerannt und griff gru?end zum Hut.»Empfehlung des Kommandanten, Sir, es liegt eine Nachricht fur Sie vor.»
Auf dem Achterdeck schien Emes von den Neuigkeiten nicht weiter aus der Ruhe gebracht. »Styx hat eine Brigg gesichtet, Sir, im Suden von uns.«Argerlich blickte er nach oben, als sein eigener Ausguckposten das fremde Segel meldete.»Der da mu? blind geworden sein.»
Bolitho wandte sich ab, um sein Lacheln zu verbergen. Denn er wu?te, da? Neale den Ausguck gehenden Midshipman im Topp oft mit einem starken Teleskop versah, wenn die Sicht so gut war, da? es sich lohnte.
Emes hatte seinen Arger schnell wieder unter Kontrolle.»Darf ich Sie jetzt zu einem Glas Wein in die Kajute einladen, Sir?»
Wieder mu?te Bolitho den Mann ansehen. Er spurte, da? Emes sich vor ihm furchtete; zumindest fuhlte er sich sehr unbehaglich.
«Ja, danke. Signalisieren Sie Styx, sie soll Naheres auskundschaften, wahrend wir uns diesen Schluck gonnen.»
Die Kajute war so sauber und ordentlich wie das ganze Schiff, nichts lag herum, was uber die Personlichkeit ihres Bewohners Aufschlu? gegeben hatte.
Emes fullte zwei Weinglaser, wahrend Bolitho durch die salzverkrusteten Heckfenster starrte und der auf ihn einsturmenden Erinnerungen Herr zu werden versuchte.
«Mr. Pascoe halt sich gut, Sir, so jung er auch ist.»
Bolitho musterte Emes uber den Rand seines Weinglases.»Und wenn es anders ware, wurde ich keinerlei Nachsicht erwarten, Kapitan Emes.»
Diese unverblumte Antwort verunsicherte Emes.»Aha, verstehe, Sir. Aber man wei? ja, was die Leute so denken.«»Ja? Und was denke ich, Kapitan?»
Emes schritt in der Kajute auf und ab.»Die Flotte hat so wenig erfahrene Offiziere, Sir, und ausgerechnet mir hat man das Kommando uber dieses alte Schiff gegeben. «Er wartete auf ein Zeichen Bolithos, ob er zu weit gegangen war, aber als keines kam, fuhr er entschlossen fort:»Sie war einmal ein feines Schiff, Sir, und unter Ihrem Kommando wurde sie sogar beruhmt. Aber jetzt«, wie ein gefangenes Tier blickte er sich gehetzt um,»jetzt ist sie veraltet, die Spanten und Planken sind morsch vom Hafenliegen. Trotzdem bin ich froh, da? ich sie bekommen habe. «Er blickte Bolitho direkt ins Gesicht. »Dankbar ware der treffendere Ausdruck.»
Langsam stellte Bolitho sein Weinglas auf den Tisch zuruck.»Jetzt erinnere ich mich.»
Er hatte nur an seine eigenen Probleme gedacht, an das unvermutete Auftauchen seines alten Schiffes, so da? er an seinen neuen Kommandanten kaum einen Gedanken verschwendet hatte. Aber jetzt fiel es ihm wie Schuppen von den Augen. Naturlich, er hatte Kapitan Daniel Emes von der Fregatte Abdiel vor sich, der vor etwa einem Jahr als Angeklagter einem Kriegsgericht gegenubergestanden hatte. Wie konnte ihm das entfallen sein? Nur wenige Meilen von ihrem augenblicklichen Standort entfernt hatte Emes das Gefecht mit einem uberlegenen Feind abgebrochen und damit zugelassen, da? ein anderes britisches Schiff erbeutet wurde. Geruchteweise war verlautet, da? nur die fruhe Beforderung zum Kapitan und seine bisher makellose Fuhrung Emes vor der unehrenhaften Entlassung bewahrt hatten.
Es klopfte, und Browne spahte mit unschuldigem Gesicht herein.»Bitte um Vergebung, Sir, aber Styx signalisiert, da? sie mit der Brigg Kontakt hat. Sie kommt mit Depeschen vom SudGeschwader. «Kurz streifte sein Blick Emes' angespanntes Gesicht.»Der Brigg ist offenbar sehr daran gelegen, baldmoglichst in Kontakt mit Ihnen zu kommen.»
«Ich kehre gleich auf Styx zuruck. «Und nachdem Browne sich eilig zuruckgezogen hatte, fugte Bolitho, an Emes gewandt, hinzu:»Als ich damals hier das Kommando ubernahm, war Phalarope zwar ein viel jungeres Schiff, aber auch ein sehr viel schlechteres als heute. Vielleicht scheint sie Ihnen zu alt fur die Aufgabe, die man uns gestellt hat. Vielleicht glauben Sie au?erdem, da? sie fur einen Offizier von Ihrer Erfahrung und Tuchtigkeit bei weitem nicht gut genug ist. «Er griff nach seinem Hut und schritt zur Tur.»Zu dem ersten Vorbehalt kann ich mich nicht au?ern, aber zum letzteren werde ich mir ganz bestimmt meine eigene Meinung bilden. Und was mich betrifft, sind Sie einer meiner Kommandanten, sonst nichts. «Er sah Emes offen ins Gesicht.»Die Vergangenheit lassen wir ruhen.»
Die Wande der Kajute schienen ihm seine letzten Worte hohnisch an den Kopf zu werfen. Aber er mu?te Emes vertrauen, mu?te ihn dazu bringen, sein Vertrauen auch zu erwidern.
Heiser sagte Emes:»Danke fur dieses Wort, Sir.»
«Noch eine Frage, bevor wir zu den anderen gehen, Kapitan Emes. Wenn Sie sich morgen in der gleichen Lage wiederfanden, die Sie damals vors Kriegsgericht gebracht hat — wie wurden Sie sich diesmal entscheiden?»
Unschlussig hob Emes die Schultern.»Das habe ich mich schon tausendmal gefragt, Sir. Ehrlich gesagt, ich wei? es nicht.»
Bolitho beruhrte seinen Arm, fuhlte die Verkrampfung und Wachsamkeit, die von den Goldtressen nur au?erlich kaschiert wurde.
Er lachelte.»Ware Ihre Antwort anders ausgefallen, hatte ich wahrscheinlich mit der nachsten Kurierbrigg eine Ablosung fur Sie angefordert.»
Spater, als die beiden Fregatten dichter nebeneinander kreuzten und die ferne Brigg mehr Segel setzte, um schneller zu ihnen aufzuschlie?en, stand Bolitho an der Querreling des Achterdecks und blickte uber das Schiff hinweg nach vorn. Er horte Emes hinter sich auf seine gewohnt knappe Art Befehle bellen. Ein schwieriger Mann, der aber auch eine schwere Last mit sich herumtrug.
Unvermutet meldete Allday sich zu Wort.»Na und, Sir, was halten Sie davon?»
Bolitho lachelte ihn an.»Ich bin froh, da? sie wieder da ist, Allday. Hier und heute gibt es viel zu wenig Veteranen.»
Bolitho wartete so lange, bis die Glaser alle gefullt waren und seine Erregung sich etwas gelegt hatte. Die Achterkajute der Styx lag gemutlich im Schein der Deckenlampen, und obwohl das Schiff nach wie vor schwer arbeitete, spurte Bolitho doch, da? die See sich etwas beruhigt hatte; genau wie der Master prophezeit hatte, war der Wind auf Nordwest umgesprungen,
Er warf einen Blick in die Runde. Trotz der Dunkelheit vor den Heckfenstern konnte er sich vorstellen, wie die anderen Schiffe Styx in Kiellinie folgten, wahrend ihre Kommandanten hier an Bord ihrem Admiral Bescheid taten. Nur der junge Kommandant von Rapid fehlte, weil er irgendwo im Nordosten wachsam auf und ab stand, jederzeit bereit, mit halbem Wind herbeizueilen und sein Geschwader zu alarmieren, sollten die Franzosen im Schutz der Dunkelheit einen Ausbruchsversuch wagen.
Was wurden die Familien dazu sagen, wenn sie ihre Sohne an diesem Abend hier so sehen konnten? fragte sich Bolitho. Zum Beispiel den derben, rotwangigen Kapitan Duncan, Kommandant der Sparrowhawk, der gerade mit viel Elan und zu Neales offensichtlicher Erheiterung von seiner jungsten Affare mit der Frau eines Richters in Bristol erzahlte. Oder Emes von der Phalarope, wachsam und sehr beherrscht, der nur beobachtete und zuhorte. Browne, der sich auf die breiten Schultern von Neales Diener stutzte und seine gemurmelten Kommentare abgab.
An Bord der drei Schiffe, die Bolithos kleinem Geschwader angehorten, wurden sich die Ersten Offiziere jetzt den Kopf daruber zerbrechen, was bei diesem Kommandantentreffen wohl beschlossen werden mochte. Wie wurde das Ergebnis ihr Schicksal beeinflussen? Es konnte Beforderung bedeuten oder Tod, vielleicht sogar den Befehl uber das Schiff, wenn ihr Vorgesetzter fallen sollte.