Klar Schiff zum Gefecht: Richard Bolitho - Kapitan des Konigs
«Ich werde versuchen, es nicht gegen Sie zu verwenden, Mr. Bethune. «Er schaute weg, als der Bursche aus seiner Kajute rannte.
Dann stand er auf, nahm seinen Hut aus Stockdales Hand und schritt mit kurzem Nicken hinaus in die blendende Sonne.
Die Decks schienen uberfullter denn je. Vom heiseren Gebrull ihrer Unteroffiziere gehetzt liefen die Seeleute hin und her. Als Bolitho das Achterdeck erreichte, sah er zwei plumpe Transportschiffe schwerfallig auf die Landzunge zutreiben. Ihre braungegerbten Segel flappten und wogten in der Brise.
Tyrell tippte an seinen Hut.»Anker ist kurzstag, Sir.»
«Danke.»
Bolitho schritt zur Backbordseite und schaute zur Fawn hinuber. Er konnte ein Gewimmel von Mannern an ihrem Ankerspill und die Kette, die sich nun fast senkrecht vom Bugsprit ins Wasser straffte, erkennen.
Als er das Deck uberquerte, gab er sich gro?e Muhe, die Seeleute nicht zu beachten, die auf ihren Stationen bereitstanden. Hinter der Landzunge zeichnete sich vor dem hartblauen Horizont ein bewegter Streifen kleiner Schaumkronen ab. Drau?en vor dem geschutzten Ankerplatz wurde gutes Segelwetter herrschen. Bolitho blickte auf die tragen Stromungswirbel, die um das nachste Frachtschiff kreiselten, und bi? sich auf die Lippen. Zuerst mu?te er von all den Schiffen freikommen.
«Das Signal auf der Fawn ist ganz deutlich zu erkennen, Sir.»
Bethune klammerte sich an die Wanten und hatte ein Teleskop an das Auge gepre?t, obwohl Colquhouns Signal auch ohne Fernrohr klar auszumachen war.
«Klar beim Ankerspill!»
Tyrell rannte zur Reling und hielt seine gro?en Hande trichterformig an den Mund.»Stagsegel losmachen!»
Neben den beiden Rudergangern stand Buckle. Er lie? Bolitho nicht aus den Augen.
«Es brist machtig auf, Sir!»
«Ja.»
Von der Reling starrte Bolitho auf seine Besatzung herunter. Er erblickte Graves, der die Leute am Ankerspill uberwachte, und Fahnrich Heyward mit seiner Abteilung am Fu? des Gro?mastes.
«Signal, Sir! Anker auf!»
«Toppsgasten aufentern! Marssegel losmachen!»
Er trat zuruck und beobachtete die Seeleute, die in den Wanten hinaufbrandeten und uber die schwankenden Rahen liefen. Ihre Korper hoben sich schwarz vom Himmel ab. Tyrell sagte sehr wenig, und Bolitho sah, da? die Toppsgasten auch ohne Befehle von Deck aus ihre Arbeiten beherrschten. Wahrend die losen Segel an den Rahen donnerten und ein anhaltendes Beben durch das Schiff lief, bemerkte er, wie auf der Fawn die Masten schon vor dem Heck herumschwenkten und die Vormarssegel sich mit Wind fullten.
«Signal, Sir. Beeilen Sie sich!»
Bethune setzte sein Fernglas ab und versuchte Bolithos Blick zu meiden.»Klar bei Brassen!»
Er versuchte, sich um Colquhouns letztes Signal nicht zu kummern. Vielleicht wollte er ihn nur zu irgendeiner Torheit anstacheln, vielleicht war das so seine Art. Aber nichts durfte und sollte ihm diesen Augenblick verderben.
Vom Vorschiff schrie jemand:»Anker frei, Sir!»
Die Sparrow schwoite schrag leewarts, und vor dem Kluverbaum glitt die Landzunge vorbei. Immer mehr Tuch schlug donnernd an den Rahen und spannte sich im Wind, wahrend das Schiff Fahrt aufnahm. Blocke klapperten und achzten, und die Seeleute bewegten sich wie Affen hoch uber Deck.
Bolitho wandte sich Buckle zu.
«Gehen Sie auf Backbordbug. Lassen Sie dann das Gro?segel setzen, damit wir uns von der Landzunge gut freisegeln konnen. «Er begegnete dem Blick des Steuermanns.»Setzen Sie auch Fock- und Besansegel. Wir wollen versuchen, den Vorsprung der Fawn zu verringern.»
Augenblicke spater standen alle Unter- und Marssegel voll in der Morgenbrise. Rasch glitt die Sparrow an einem vor Anker liegenden Zweidecker voruber, der die Vizeadmiralsflagge am Vorschiff fuhrte. Bolitho blickte zu Tyrell hinuber und sah ihn eine rasche Grimasse schneiden. Er wurde vielleicht noch Grund haben, seinen Antrag auf Versetzung bedauern!
Sie preschten zwischen zwei ankernden Westindienfahrern hindurch und weiter die Fahrrinne entlang, auf die lockende See hinter dem Kap zu. Kleine Boote dumpelten achteraus im schaumenden Kielwasser, und als Bolitho vom Kompa? aufblickte, sah er, da? sie gegenuber der Fawn schon eine halbe Kabellange aufgeholt hatten.
Buckle schaute den Schiffsarzt an, der sich mit einer Hand an den Besanwanten anklammerte und mit der anderen seine gra?liche Perucke festhielt.
Er zwinkerte mit den Augen.»Wir haben einen rechten Kaptn an Bord, Mr. Dalkeith.»
Dalkeith verzog keine Miene, als Bolitho sich nach ihm umdrehte, dann antwortete er:»Unser armer Ransome hatte sich nie getraut, so schneidig auszulaufen, eh?»
Er grinste anzuglich.»Meinen Sie nicht auch, da? er um diese Morgenstunde ziemlich mude gewesen ware?»
Beide lachten.
Bolithos Stimme brachte sie mit einem Ruck zum Schweigen.
«Lachen Sie gefalligst spater, Mr. Buckle, Backbord voraus liegt eine Jolle. Wenn Sie die in Sichtweite des Flaggschiffs uber den Haufen segeln, dann werden Sie in einer ganz anderen Tonart lachen!»
Er kehrte zur Reling zuruck, als Buckle sich nach seinen Rudergangern herumwarf.
Die Spitze der Landzunge lag bereits querab, und er fuhlte den Vordersteven jetzt in die erste sanfte Woge hineinpflugen. Unter dem Druck der Segel neigte sich das Deck noch schrager.
«Anker ist festgelascht, Sir«, schrie Tyrell. Gischt hatte ihm das Hemd durchna?t, uber sein Gesicht perlten Wassertropfen, aber ein breites Grinsen stand in seinen Zugen.
Bolitho nickte.»Gut. Sehen Sie zu, da? jetzt der Au?enkluver besser getrimmt wird, er sieht aus wie ein Fetzen dreckiger Wasche.»
Aber er konnte nicht so streng bleiben.»Bei Gott, die Sparrow fliegt, oder nicht?»
Er blickte nach oben zu den viereckigen Segeln und hart angebra?ten Rahen hinauf. Der Stander im Masttopp knallte wie eine Kutscherpeitsche. So oft zuvor hatte er all das schon gesehen, aber nun kam es ihm einmalig vor.
«Von der Fawn, Sir«, rief Bethune.
«Beziehen Sie Station in Luv.»
Bolitho lachelte ihm zu:»Bestatigen.»
Und fur alle Manner auf dem Achterdeck fugte er hinzu:»Ein gro?artiger Morgen heute.»
Vom Niedergang aus beobachtete Stockdale Bolithos Freude und fuhlte sich zutiefst glucklich. Er lie? seine Augen uber die Toppsgasten schweifen, die eilig wieder auf das Deck hinunterglitten. Sonnverbrannt und gesund scherten sie sich um nichts. Mit einem Elfenbeinzahnstocher sauberte er seine unregelma?igen Zahne. Sein Kapitan hatte in den vergangenen Jahren mehr erlebt, als sie alle wu?ten. Er betrachtete die geraden Schultern Bolithos, der ruhelos an der Luvseite auf und ab schritt. Mit der Zeit wurden sie das schon noch herausbekommen.
III Der Freibeuter
Bolitho offnete seine Augen und starrte einige Sekunden lang auf die geloschte Lampe, die uber seiner Koje schaukelte. Er konnte keinen Schlaf finden, obwohl er wahrend der Nacht ofters an Deck gewesen war und bleierne Mudigkeit auf seinen Gliedern lastete. Hinter dem Vorhang, der sein Schlafabteil von der Kajute trennte, sah er das bleiche Licht der Morgendammerung. Das trage Pendeln der Laterne und unbehagliches Knarren der Balken verrieten ihm, da? nur eine leichte Brise wehte. Er versuchte sich zu entspannen und fragte sich, wie lange es wohl noch dauern mochte, bis er es sich abgewohnt hatte, jeden Morgen mit der Dammerung aufzuwachen, bis er sein neues Alleinsein genie?en konnte.
Oben auf dem Achterdeck tappten Fu?e, und er vermutete, da? nun bald die neue Wache an Deck kommen mu?te. Zwei Wochen waren vergangen, seitdem der Geleitzug in Antigua Anker gelichtet hatte, und sie hatten erst die Halfte der vorausberechneten Strecke absegeln konnen. Tausend Seemeilen hatten sie inzwischen auf offener See zuruckgelegt, und wenn sie sich nicht jede Meile gegen widrige Winde erkampfen mu?ten, so dumpelten sie hilflos in nervenzerrei?enden Flauten. Kaum verging eine Stunde, ohne da? die Seeleute an Deck gerufen wurden. Standig mu?ten sie Segel setzen oder wegnehmen oder, in der Hoffnung, den letzten Hauch einer Brise einzufangen, die Rahen trimmen. Dann wieder zwang sie eine hohnlachende heftige Bo zum Reffen.