Klar Schiff zum Gefecht: Richard Bolitho - Kapitan des Konigs
Als Bolitho neben sich auf dem Achterdeck zornige Stimmen horte, ri? er seine Augen von dem erregenden Anblick los.
Es war Tilby, der rot angelaufen vom Genu? seines geheimen Rumvorrats auf ihn zustampfte.»Verzeihung, Sir, aber der Kerl da sagt, da? er Sie unbedingt sprechen mu?. «Er glotzte den Seemann bose an.»Hab' ihm gesagt, da? ein Mann unter Bestrafung nicht ohne Erlaubnis mit einem Offizier sprechen darf.»
Bolitho erkannte hinter Tilby den Seemann, der ausgepeitscht werden sollte. Er war ein gutgewachsener Mann, der in wilder Entschlossenheit am Arm des Bootsmanns zerrte.
«Was ist los, Yelverton?«Bolitho nickte Tilby zu.»Ist es so wichtig?»
Der Seemann drangte sich auf dem Achterdeck vor und schluckte erregt.»Das Schiff, Sir, ist kein Indienfahrer nich! Ist ein verdammter Franzmann. Hab's gesehen, vor einigen Jahren in Boston.»
Bolitho fuhr herum.»Gott im Himmel!»
In diesem Augenblick feuerte der heranbrausende Westindienfahrer im Vorbeisegeln eine volle Breiseite in die unbemannte Flanke der Miranda. Der hallende Geschutzdonner erfullte das Herz eines jeden Mannes im Geleitzug mit Grauen.
IV Die gro?e Verantwortung
Sogar auf zwei Meilen Entfernung sah Bolitho, wie die Fregatte von einem heftigen Beben geschuttelt wurde, als die Breitseite uber sie hinfegte. Der Pirat mu?te hoch gezielt haben, denn als der Rauch davonwehte, waren die Verheerungen, die der plotzliche Uberfall hinterlassen hatte, deutlich zu sehen. Die Gro?royalstenge war uber Bord gegangen, und wie nach einem Sturm waren die meisten Segel durchlochert und zu Fetzen zerschlissen.
Bolitho ri? sich von den Wanten los, die er krampfhaft umklammert hatte. Seine Leute standen zu bewegungslosen Figurengruppen erstarrt. Die Manner waren so betroffen, da? sie weder denken noch sich ruhren konnten.
«Mr. Tyrell«, brullte er,»lassen Sie auf allen Decks klar zum Gefecht trommeln!«Dann packte er Bethune am Arm und schrie in sein verwirrtes Gesicht.»Flagge hei?en!»
Ein Schiffsjunge griff nach seiner Trommel. Die Schlegel wirbelten:»Klar Schiff zum Gefecht.»
In die Manner auf dem Geschutzdeck und auf der Back, von wo sie dem leichten Sieg der Miranda hatten zusehen wollen, kam wieder Leben. Alle rannten auf ihre Gefechtsstationen. Aber da gab es nicht mehr die automatischen Bewegungen von Seeleuten beim Drill. Und nirgendwo herrschte das grimmige Schweigen kampferprobter Manner, die sich zu einem neuen Gefecht bereit machten. Die Besatzung war zu verwirrt, um sich sinnvoll zu verhalten. Einige prallten aufeinander, andere standen an falschen Geschutzen. Manche tappten mit fremden Ausrustungsstucken herum, bis sie ein Unteroffizier mit Fu?tritten wegjagte.
Bolitho blickte Buckle an, der sich bemuhte, in all dem Durcheinander seine Stimme ruhig zu halten.
«Die unteren Segel aufgeien, Bramsegel setzen! Es werden ohnehin genug Funken fliegen! Nicht notwendig, da? auch die Segel um unsre Ohren herum abbrennen.»
Polternd und klappernd wurden unter dem Achterdeck Trennwande niedergerissen. Mit trampelnden Fu?en schleppten die Matrosen Pulver fur die Kanonen aus den Magazinen herbei.
Bolitho zwang sich, die heransegelnden Schiffe in Ruhe zu beobachten. Er wu?te, da? es viel zu lange dauerte, bis die Sparrow kampfbereit war. Wie nahe der Feind schon war! Wieder drohnte Geschutzfeuer. Rauch wolkte in dicken Schwaden zwischen den Schiffen, und er konnte nicht ausmachen, was sich dort abspielte.
Als der Qualm davontrieb, sah Bolitho die Rahen der Miranda herumschwingen. Er hielt den Atem an. Die Fregatte hatte eine Wende eingeleitet, um zu dem Kaperschiff parallel zu segeln.
Im wehenden Pulverdampf brullten wieder die Kanonen. Wie orangefarbene Zungen blitzten ihre Mundungsfeuer uber die aufgewuhlte See. Manche der Geschosse peitschten uber das Wasser davon. Gischtfontanen bezeichneten ihren Weg von Welle zu Welle, bis sie plotzlich hinter einer gro?en Woge verschwanden.
Das Wendemanover der Miranda war qualend langsam. Ihre blatternarbigen Segel flappten schwach, als sie sich endlich vor den Wind legte. Wahrscheinlich wollte ihr Kapitan das starkere Freibeuterschiff Seite an Seite bekampfen, oder aber er versuchte, hinter seinem Heck vorbeizuscheren und ihn mit einer Breitseite zu bestreichen.
Bolitho horte jemand aufstohnen, als der Franzose wieder in den Qualm hineinfeuerte. Schu? auf Schu? schmetterte in die hinter Rauchschwaden verborgene Flanke der Miranda. Fast konnte man uber die schaumenden Kronen der Wellen hinweg die Einschlage spuren.
Der Augenblick, uber die Fregatte herzufallen, wahrend sie uber Stag ging, war hervorragend abgepa?t. Offensichtlich benutzte der Feind Kettenkugeln, denn als die Breitseite in die Miranda hineinkrachte, sah Bolitho, wie ihr Fock- und Gro?mast taumelten und dann unter den Treffern aufzuckend seitwarts in den Rauch hinunterkippten. Von einem schnittigen, herrlichen Schiff war die Fregatte zu einem verkruppelten Wrack zusammengeschossen, bevor sie auf neuen Kurs gehen konnte. Ihr Buggeschutz feuerte blindlings in Richtung des Feindes, und von ihrem Besanmast wehte immer noch das Scharlachrot der Flagge.
«Schiff ist klar zum Gefecht«, brullte Tyrell mit wilder Stimme. Bolitho sah ihn an.»Lassen Sie bitte laden und ausrennen.»
Der Leutnant blickte ihm ins Gesicht. Seine Augen blitzten hell in der Sonne.»Wollen Sie's etwa mit beiden aufnehmen, Sir?«»Wenn notig, ja.»
Bolitho wandte sich um, als wieder Schusse uber die immer geringer werdende Entfernung hallten. Er sah, wie die Brigg sich von den beiden gro?eren Schiffen loste. Ihre Gro?stenge neigte sich in einem bedrohlichen Winkel. Die ersten Kugeln der Miranda hatten dort ihr Ziel gefunden. Unter seinen Schuhen zitterten die Decksplanken, als die Stuckpforten sich offneten und die achtzehn Kanonen ihre Mauler quietschend und rumpelnd ins Sonnenlicht reckten. Halbnackte Seeleute rutschten auf dem sandbestreuten Deck aus, wahrend sie versuchten, den Takt der Kommandos einzuhalten, die ihre Geschutzfuhrer ihnen zubrullten. Bolitho starrte uber sein Schiff hin. In seinen Gedanken stieg Verzweiflung auf. Ein paar Augenblicke spater wurde alles zu Ende sein. Sein Schiff, seine geliebte Sparrow, wurde das Schicksal der Fregatte teilen.
Fur den Feind war alles so lacherlich einfach gewesen. Zu oft war es schon geschehen, da? beim Anblick eines hilflosen Kauffahrers, der von einem gutbewaffneten Piraten angefallen wurde, nicht der geringste Verdacht entstanden war. Kein Wunder, da? die Segel der Brigg in diesem sorgfaltig gespielten Manover keinerlei Treffer aufwiesen. Wie mu?ten die beiden feindlichen Kapitane gelacht haben, als die Miranda aus dem Verband ausscherte, um ihren eigenen Morder zu verteidigen.
Er horte Stockdale machtig schnaufen, dann fuhlte er, wie sich der Degengurtel um seine Huften spannte.
«Bei Gott, Sir, schlechte Chancen«, zischte sein Bootsfuhrer.
«Wahrschau an Deck!«Beim Anblick des Unheils war der Ausguck vergessen worden.»Miranda macht klar zum Entern!«Der Ausguck brullte ein bruchiges Hurra.»Sie geht zum Nahkampf uber!»
Bolitho rannte zur Reling. Die Fregatte war hinter den wuchtigeren Umrissen des Feindes fast versteckt, aber aus der Stellung ihres Besanmastes konnte er sehen, da? sie tatsachlich auf ihren Angreifer zutaumelte. Wieder wirbelte der Rauch einer Geschutzsalve zwischen den Schiffen auf, und der letzte Mast der Miranda verschwand in einem Wirrwarr von Tauwerk und zerfetztem Segeltuch. Aber Bolitho sah auch die plotzliche Bewegung hinter dem Schanzkleid des Kaperschiffes, das Gewimmel von Menschen um ihren Fockmast. Dann konnte er ausmachen, wie sich der Bug der zerfetzten Fregatte an das Vorschiff des Feindes heranschob. Schwaches Musketenfeuer drang uber das Wasser her, und er konnte das sprichwortliche Blitzen von Stahl stehen, als die beiden Schiffe im nachsten Augenblick zusammenrammten und das Handgemenge begann.