Klar Schiff zum Gefecht: Richard Bolitho - Kapitan des Konigs
Tyrells Stimme brachte ihn wieder in seine Kajute zuruck.
«Dann haben Sie also jetzt den Oberbefehl, Sir?»
Die Leutnants blickten ihn aufmerksam an. In ihren Gesichtern standen Zweifel und Besorgnis.
Bolitho nickte langsam.»Wir werden vor Einbruch der Dunkelheit mit dem Geleitzug weitersegeln. Vorher werden wir die Verwundeten auf die Transporter bringen und der Fregatte helfen, so gut wir konnen. «Er versuchte, nicht an die endlosen Probleme zu denken, die auf ihn einsturmten.
«Wenn wir, wie befohlen, Kontakt mit dem Geschwader aufgenommen haben, werden wir mit den Depeschen zum Hauptquartier weiterfahren.»
Seine Augen schweiften in der Kajute umher. Alles erschien ihm plotzlich kleiner, seine Korvette verwundbarer.
«Und die Miranda, Sir?«Tyrells Stimme klang gedampft.
Bolitho antwortete mit gleichgultiger und kuhler Stimme. Er wu?te, da? seine Leute alles Vertrauen in ihn verlieren wurden, wenn er ihnen auch nur fur einen Augenblick seine wahren Gefuhle zeigte.
«Die Manner auf der Miranda werden tun, was sie tun mussen.
Wir konnen nicht bei ihnen bleiben, und sie wurden das auch gar nicht wunschen.»
Gischt prasselte gegen die dicken Fensterscheiben. Der Wind frischte bereits leicht auf.
Tyrell leckte uber seine Lippen. Seine Augen starrten wie abwesend auf die entmastete Fregatte.
«Das ist alles«, fugte Bolitho hinzu.»Achten Sie darauf, da? alle Leute bis zur letzten Minute arbeiten.»
Wortlos verlie?en die Leutnants in ihren schmutzigen Hosen und Hemden die Kajute.
Bolitho blickte Fitch an.»Sie konnen auch gehen. Ich mochte nachdenken.»
Nachdem Fitch und seine Helfer gegangen waren, stutzte er seinen Kopf in die Hande und lie? seinen Korper entspannt in den unbehaglichen Schiffsbewegungen mitschwingen.
Wahrscheinlich hielt Tyrell ihn fur herzlos, weil er das andere Schiff hilflos und ohne Begleitung zurucklie?.
Bolitho kampfte gegen seine Mudigkeit und Erschopfung an und stand auf. Er wu?te, da? ihn ihre Ansichten nicht kummern durften. Sie standen im Krieg, den sie schon zu lange wie Zuschauer betrachtet hatten. Wenn sie lernen mu?ten, dann war es besser, das sofort zu tun. Dann erinnerte er sich wieder an den Leutnant auf der Miranda, an die Bitterkeit in seiner Stimme, als er das Gefecht beschrieb. Er konnte zu dem, was Bolitho bereits geahnt und gewu?t hatte, kaum etwas hinzufugen. Nur eines war neu fur ihn, der Name des gro?en Kaperschiffes. Bonaventure. Niemals wurde er diesen Namen vergessen.
Es klopfte an die Tur. Lock trat ein. Mit dusterem Gesicht begann er eine Liste jener Vorrate herunterzulesen, die in dem kurzen Kampf mit der Brigg verlorengegangen waren.
Bolitho blickte ihn an und sagte mit ruhiger Stimme:»Nun, machen Sie mir eine komplette Aufstellung, Mr. Lock. Wir werden dann spater daruber reden.»
Es war sinnlos, an das zu denken, was voruber war. Er stand nun ganz allein, und nur die Zukunft und der ferne Horizont hatten wirklich noch Bedeutung fur ihn.
V Der Auftrag
«Das Wachboot kommt, Sir!«Bolitho nickte.»Danke.»
Er hatte es schon gesehen, sich aber auf die hintereinander verschobenen Umrisse der vor Anker liegenden Schiffe konzentriert. Ein machtiger Zweidecker zeigte am Besan die Konteradmiralsflagge.
Dann streifte er mit einem raschen Blick die eifrige Arbeit auf dem Geschutzdeck. Zum ersten Mal, seitdem sie Antigua verlassen hatten, trafen sie Vorbereitungen, Anker fallen zu lassen.
Zehn Tage waren vergangen, seit die verwusteten Umrisse der Miranda mehr und mehr zuruckgefallen und endlich ganz hinter dem Horizont verschwunden waren. Es waren Tage qualender Ungeduld gewesen. Wiederholt hatten sie Segel kurzen mussen, um den schwerfalligen Transportschiffen nicht davonzulaufen. Als sie dann endlich auf eine Fregatte des Kustengeschwaders stie?en, hatten sie keine Freiheit erlangt, sondern abermals eine Verlangerung der Reise auf sich nehmen mussen. Die Sparrow hatte die Verantwortung uber die Transporter nicht abgeben konnen, noch durfte sie geraden Weges die Kuste anlaufen, um das Loschen der Ladungen zu uberwachen. Statt dessen mu?te sie mit allen Depeschen nach New York segeln. Der Kapitan der Fregatte hatte in seiner Ungeduld weiterzureisen nur einen Fahnrich mit seinen Befehlen zur Sparrow hinubergeschickt. Aus dem wenigen, das er bemerkt hatte, schlo? Bolitho, da? die Fregatte drei Wochen lang patrouilliert und darauf gewartet hatte, ihre Nachrichten an den Geleitzug weiterzugeben, und nur den einen Wunsch hatte, mit der Sache weiterhin nichts mehr zu tun zu haben. Er wandte seinen Blick dem Wachboot zu, das sich sanft in der atlantischen Dunung wiegte. Eine gro?e, blaue Flagge flatterte an seinem Bug, um die Stelle zu markieren, wo die Korvette ankern sollte.
Das Ruderrad knarrte und achzte, als Buckle seine Anweisungen an die Ruderganger weitergab. Vorne auf der Back hob sich die Gestalt Leutnant Graves' dunkel von dem glitzernden Wasser ab. Er wartete auf den Befehl, den Anker fallen zu lassen, Bolitho horte jemand lachen und sah die Transportschiffe schwerfallig auf einen anderen Ankerplatz zuschwanken. Seeleute liefen dort nun auf die Rahen hinaus und tuchten die Segel auf.
Dalkeith blickte Bolitho an.»Froh, sie von hinten zu sehen, Sir?«Er wischte sich das Gesicht mit einem Taschentuch ab.
«Sie sind viel zu lange mit uns gefahren, dachte schon, wir hatten die Biester im Schlepp.»
Der Geschutzfuhrer kletterte halb an der Leiter hoch und fragte:»Feuererlaubnis fur den Salut, Sir?»
Bolitho nickte.»Bitte, Mr. Yule.»
Er wandte sich ab. Hatte ihn der Artillerist nicht an die Salutschusse erinnert, hatte er, ganz in Gedanken an die nachste Zukunft, diese Formalitat vergessen.
Als die Sparrow mit aufgegeiten Segeln nur unter Marssegeln und Kluver sanft auf das Wachtboot zuglitt, schulterte die Luft vom regelma?igen Donnern der Geschutze, die der Konteradmiralsflagge den Respekt erwiesen.
Bolitho hatte gern mit Bethunes gro?em Fernglas die anderen Schiffe beobachtet, aber er vermutete, da? nun zu viel andere Glaser auf ihn gerichtet seien. Seine naturliche Neugier konnte als Unsicherheit ausgelegt werden oder als die Aufgeregtheit eines jungen, unerfahrenen Kapitans, der einen fremden Ankerplatz anlief. So zwang sich Bolitho, an der Luvseite ruhig auf und ab zu gehen. Mit Befriedigung stellte er fest, da? alles nicht benutzte Tauwerk entweder belegt oder sauberlich an Deck aufgeschossen war. Vom Gefecht mit der Brigg war an der Sparrow nichts mehr zu bemerken. In den zehn Tagen waren alle Moglichkeiten genutzt worden, neue Planken einzuziehen und zu malen.
Tyrell stand mit dem Sprachrohr unter dem Arm an der Reling. Im blauen Rock und dem Dreispitz auf dem Kopf kam er ihm wieder sehr fremd vor, ein Unbekannter wie an jenem Tag, an dem er nach dem Besuch auf dem Flaggschiff in seine Kajute gestapft war.
Die Rauchfahne des letzten Salutschusses trieb voraus uber die Manner am Ankergeschirr hin, und Bolitho wandte nun alle Aufmerksamkeit der letzten Kabellange zu, die sie noch vom Ankergrund trennte. Zu beiden Seiten lagen andere Schiffe. Sie sahen recht eindrucksvoll und unzerstorbar aus.
Langsam hob Bolitho die Hand.
«Lee brassen, Mr. Tyrell. Klar zur Wende.»
Warum nur war er so beunruhigt? Lag hinter den knappen Befehlen der Fregatte vielleicht Dunkles verborgen? Er versuchte, die Besorgnis aus seinen Gedanken zu vertreiben. Schlie?lich hatte die langsame Reise mit den Transportschiffen ihn vor Ungeduld halb krank gemacht, wieviel schlimmer mu?te das fur die einsame Fregatte gewesen sein.
Tyrells Stimme loste den Jammerchor der kreisenden Mowen aus, die schon seit Tagen die Sparrow begleitet hatten.
«Marssegel schoten!«Er blinzelte in das Sonnenlicht und beobachtete die flinke Arbeit der Manner hoch uber Deck.